Expat-Interviews

Erfahrungen und Empfehlungen erfolgreicher Auswanderer

Hier teilen Menschen, die bereits länger im Ausland leben, ihre Tipps wie Auswandern aus psychologischer Sicht gelingen kann

Du erwägst ins Ausland zu ziehen, planst diesen Schritt konkret oder hast ihn hinter dir?

Dann lass' dich von erfolgreichen Expats inspirieren wie Auswandern aUS PSYCHOLOGISCHER Sicht gelingt.

Folgende Interviewpartner findest du hier:

  • Tobi, der einige Jahre in Australien verbrachte und seit 2020 in Nicaragua lebt:    >>> Zum Interview 
  • Carsten, der seit 2016 in Panama lebt:    >>> Zum Interview  
  • Rudolf, der nach Aufenthalten in verschiedenen südamerikanischen Ländern seit drei Jahren in Argentinien lebt:  >>> Zum Interview 

Nicaragua-Experte Tobi im Interview:

Wo lebst du zur Zeit und wie lange schon?

Seit zwei Jahren ist Nicaragua meine neue Heimat. Zuvor lebte ich acht Jahre in Australien.

Welche Herausforderungen psychologischer Natur bringt eine Auswanderung aus deiner Erfahrung mit sich (beispielsweise hinsichtlich Stimmung, emotionaler Krisen, Ängsten, Zweifeln, Heimweh, Belastungen in Partnerschaft / Familie, inneren und zwischenmenschlichen Konflikten, Überforderungsempfinden, Entwurzelungsempfinden)? Welche haben dich überrascht?

Während der Planungsphase, vor der eigentlichen Auswanderung, fand ich es sehr schwer, mein altes Leben aufzugeben: Job kündigen, Haus kündigen und Abschied von vielen persönlichen Dingen nehmen, aber vor allem von Freunden und Familie. Das vertraute Leben gegen eine völlig unsichere Zukunft einzutauschen führt immer wieder zu Verunsicherung und Zweifeln, ob die Entscheidung richtig ist. Da ich den Prozess zusammen mit meiner Partnerin gemacht hatte, konnten wir uns gegenseitig unterstützen. Wichtig war es für uns, viel über Probleme und Ängste zu sprechen und gemeinsam Lösungen zu finden.

Als dann der Abflug näher rückte und die meisten Vorbereitungen erledigt waren, empfand ich das als erstes Erfolgserlebnis, ein Großteil war geschafft. Meist waren die Vorbereitungen recht stressig und detailreich, so dass ich sehr abgelenkt war. Je näher der Tag der Abreise rückte, desto intensiver wurden die Gefühle von Zweifeln, Ängsten und Sorgen.

Nach der Einreise in Nicaragua war ich euphorisch und völlig überfordert von den vielen neuen Eindrücken. Den Schritt der Auswanderung gewagt zu haben, gab mir jedoch Selbstvertrauen und Kraft weiterzumachen. Die Euphorie flachte dann langsam ab, denn es stellten sich schnell wieder die üblichen Probleme des Alltags ein: Unterkunft suchen, Einkaufsmöglichkeiten, Geld verdienen etc.

Für mich war die größte Überraschung, dass ich feststellen musste kein wahrer Digital Nomad zu sein. Ich brauche eine Basis und kann nicht alle paar Monate weiter reisen. Um mich entspannen zu können, benötige ich dann doch eine vertraute Umgebung und Routinen wo ich mich "zu Hause" fühle.


Inwieweit sind deiner Einschätzung und Erfahrung nach die Motive entscheidend für den Erfolg der Auswanderung?
Meine beiden Auswanderungen haben mich jedes Mal in physischer und mentaler Hinsicht total überfordert. Ohne ein starkes Motiv hätte ich sicher nicht die nötigen Kraftreserven mobilisieren können.

Inwiefern hast du einen Kulturschock erlebt? Wann (wie lange nach dem Migrationsschritt) ist er eingetreten und wie hat er sich geäußert? Wie hast du ihn überwunden bzw. einen hilfreichen Umgang damit gefunden?

Der Kulturschock in Nicaragua war schon recht ausgeprägt. Ein Beispiel ist die schlechte Wasserversorgung. Es ist für uns einfach nicht vorstellbar, dass es oft kein fließendes Wasser gibt, mal ganz abgesehen von warmen Wasser. Auch dass die Produktauswahl hier sehr gering ist und die wenigen technischen Geräte überteuert sind, finde ich sehr gewöhnungsbedürftig.
Der Kontakt mit Einheimischen hat mir sehr geholfen Land und Leute besser zu verstehen. Ich hatte das große Glück auf eine Einheimische zu treffen, die einige Zeit in Deutschland gelebt hatte und fließend deutsch spricht. Da sie den Kulturschock sozusagen von anderer Seite erlebt hatte, konnte sie mir sehr gut die Kulturunterschiede erklären und Einblick in die nicaraguanische Lebensweise geben.
Für mich war der Kulturschock sicher am Anfang am Größten und ich fühlte mich manchmal wie in einer Parallelwelt voller Alien. Viele Dinge das Alltags sind hier komplett anders geregelt, als ich es gewohnt bin. Oft erscheinen diese chaotisch, aber nach einiger Zeit erkennt man eine höhere Ordnung, die durchaus Sinn ergibt und sehr effizient ist.

Welche Persönlichkeitsmerkmale sind aus deiner Sicht für das Gelingen einer Auswanderung förderlich, welche hinderlich?

Als förderlich halte ich eine gewisse Offenheit für neue Dinge, die Fähigkeit lösungsorientiert zu denken, Selbstbewusstsein, Neugierde und Flexibilität.
Als hinderlich würde ich ansehen: Schubladendenken, Anspruchshaltung und innere Unausgeglichenheit.


Wie kann man sich deiner Erfahrung nach psychologisch am besten auf eine Auswanderung vorbereiten?

Ich denke der wichtigste Schritt wäre, sich bewusst zu machen, dass eine Auswanderung immer eine emotionale Achterbahnfahrt sein wird und einfach viel Mut erfordert. Während der Vorbereitungen, der Reise selber und nach der Ankunft wird es zwangsweise immer wieder Zeiten voller Zweifel und Ängste geben. Das sind meines Erachtens normale Reaktionen unseres Unterbewusstseins, welches verhindern will, dass wir falsche Entscheidungen treffen. Eine Auswanderung bringt uns näher an eine Existenzkrise, als wir es möglicherweise je vorher erlebt haben. Auf der anderen Seite nutzen wir jedoch auch alle verfügbaren Ressourcen um die Auswanderung und den neuen Lebenstraum möglich zu machen. Während der Auswanderung prallen in uns also starke Gefühle aufeinander: Existenzangst versus die Hoffnung auf ein besseres Leben und das ganze gepaart mit vielen schwierigen und schmerzhaften Entscheidungen und viel Organisationsarbeit.
Eine gute Vernetzung mit Gleichgesinnten kann hier ein guter Support sein. Jeder erlebt seine Auswanderung anders und der Austausch hilft bestimmt, sich über die verschiedenen Aspekte besser bewusst zu werden.
Um sich psychologisch "abzuhärten" würde ich empfehlen, sich mit dem Mindset von Überlebenstraining zu beschäftigen. Dort lernt man mit Situationen umzugehen, die außerhalb der normalen Komfortzone liegen. Auch beim Überlebenstraining ist der psychologische Aspekt mindestens genauso wichtig wie die technischen Fähigkeiten.

Wie wichtig, im Vergleich mit äußeren Faktoren, schätzt du psychologische Faktoren für das Gelingen einer Auswanderung ein?

Ich denke, die beiden Themen bedingen sich gegenseitig sehr stark, zudem kommt es auf die Persönlichkeit an. Je besser ich mich vorbereitet habe, in Hinblick auf physische Gegebenheiten wie Geld, Unterkunft, Kontakte, desto weniger belastend sollten die Phasen von Zweifel und Ängsten sein. Allerdings spielen Charaktereigenschaften hier auch eine große Rolle. Manchen stresst es sehr, noch nicht zu wissen, wo er morgen übernachten wird. Andere haben kein Problem damit und genießen die gleiche Situation als Abenteuer.
Allerdings würde ich sagen, dass die psychologischen Faktoren massiv unterschätzt werden, da wir es gewohnt sind, unangenehme Gedanken gerne einmal zu verdrängen. Bei einer Auswanderung funktionert das nicht lange, denn spätestens kurz vor dem Abflug stellt sich jedem dann doch die Frage: Will ich wirklich mein altes Leben komplett aufgeben? Daher sollte man die zu erwartenden Phasen von Zweifel und Ängsten genauso in die Auswanderungsplanung mit einfließen lassen und ernst nehmen, wie die äußeren Faktoren. Je mehr ich meine Existenzaufgabe vorher im Geist durchgespielt habe und je mehr ich mich auf das neue Land vorbereitet habe und darauf freue, desto weniger krass wird der Abreisetag sein.


Welche Empfehlung(en) / Infos würdest du deinem früheren Ich heute geben?

a - vor der Auswanderung
Ich würde meinem früheren Ich raten mehr Zeit für die Vorbereitungen einzuplanen. Persönliche Dinge aussortieren, verkaufen, spenden etc. hat bei mir viel länger als gedacht gedauert und gegen Ende viel Stress wegen Zeitdruck erzeugt. Zudem würde ich nicht noch einmal persönliche Dinge in einem Lagerraum aufbewahren, sondern konsequent alles weggeben.

b - nach dem eigentlichen Migrationsschritt
Die neue Umgebung nimmt einen so in Anspruch, so dass die alte Heimat und die Kontakte dahin schnell in den Hintergrund rücken. Im Nachhinein würde ich mehr Energie darauf verwenden die Kontakte aufrechtzuerhalten und mehr zu kommunizieren. Weiterhin würde ich von Anfang mehr Wert darauf legen die Sprache zu lernen.


Welche Punkte / Empfehlungen / Ideen möchtest du ergänzen?
Vor längerer Zeit hatte ich einmal von einer Befragung von älteren Menschen gehört, die berichten sollten, was sie rückblickend auf ihr Leben bereut hätten. Das Ergebnis war, dass viele nur Dinge bereut hatten, die sie nicht gemacht hatten, obwohl sie die Möglichkeit gehabt hätten. Auch wenn eine Auswanderung sehr stressig und risikoreich sein kann, so hat mich der Gedanke, es später höchstwahrscheinlich zu bereuen nicht ausgewandert zu sein, doch sehr stark motiviert.
Man hört immer wieder von Auswanderern, die nach sehr langer Zeit wieder zurück in das Heimatland ziehen und ich hatte mich oft gefragt was hier Gründe sein könnten. Wer länger im Ausland lebt, wird irgendwann feststellen, dass man nie wirklich dazugehört und auch immer der Ausländer bleibt. Sein Heimatland zu verlassen bedeutet also vor allem auch eine vertraute Kultur zu verlassen. Andere Länder, andere Sitten heißt es. Wir sind sehr stark mit der Kultur verwurzelt mit der wir aufgewachsen sind und können uns zwar auf andere Kulturen einstellen, aber diese werden uns nie vertraut erscheinen. Insofern bedeutet eine Auswanderung leider auch immer etwas Identitätsverlust. Als Auswanderer sollte man in der Lage sein diesen Verlust irgendwie zu kompensieren. Wer das nicht schafft ist ein Kandidat für die Rückreise, auch nach vielen Jahren.

                           

Wer Interesse an Einwanderungsberatung in Nicaragua hat, kann Tobi hier erreichen:

https://t.me/auswandernnicaragua


Panama-Experte Carsten im Interview:

Wo lebst du zur Zeit, wie lange schon und aus welchem Land bist du ausgewandert?


Seit 2016 lebe ich in Panama, und meinen Entschluss aus Deutschland fortzuziehen habe ich bereits 2013 nach meiner zweiten Panama-Reise gefasst.


Welche Herausforderungen psychologischer Natur bringt eine Auswanderung aus deiner Erfahrung mit sich (beispielsweise hinsichtlich Stimmung, emotionaler Krisen, Ängsten, Zweifeln, Heimweh, Belastungen in Partnerschaft / Familie, inneren und zwischenmenschlichen Konflikten, Überforderungsempfinden, Entwurzelungsempfinden)? Welche haben dich überrascht?


Die größten Herausforderungen beim Auswandern waren für mich die sogenannten ”Was ist, wenn mal...”- Fragen. Was ist wenn Du mal krank wirst ? Was ist wenn es deinen Eltern mal nicht so gut geht ? Was ist wenn dir mal das Geld ausgeht ? Was ist wenn es dir in Panama doch nicht so gefällt ? Und so weiter...
Ganz ehrlich: Das sind durchaus wichtige Fragen. Aber … bei mir war (und ist) diesbezüglich alles in Ordnung. Und ich lebe im Hier und Jetzt, nicht in der Zukunft. Wären es damals meine einzigen Fragen gewesen, und hätte ich mich ausschliesslich und vordergründig nur mit diesen Fragen befasst, ich wäre wohl NIEMALS von der Stelle gekommen!


Inwieweit sind deiner Einschätzung und Erfahrung nach die Motive entscheidend für den Erfolg der Auswanderung?


Die Motive sind für den Erfolg ganz entscheidend! Jeder hat sicher zuerst mal seine individuellen Gründe und Motive, seine Heimat zu verlassen (Fortzugs-Gründe) und Vorstellungen und Ziele in der neuen Heimat (Anziehungsgründe). Die muss jeder sich klarmachen, denn genau diese Gründe sollen einem in der neuen Heimat ja nicht gleich wieder einholen bzw. soll das neue Heimatland die eigenen Vorstellungen und  Erwartungen ja auch weitgehend erfüllen. Für mich war es deshalb wichtig, meine potenzielle neue Heimat diesbezüglich genau kennenzulernen und ein Gefühl für Land und Leute zu bekommen, viel durchs Land zu fahren, bevor ich eine endgültige Entscheidung treffen wollte.  Im Laufe der Jahre habe ich hier viele Menschen kennengelernt, manche unter ihnen hatten sich relativ schnell zum Auswandern nach Panama entschlossen, ohne sich viele Gedanken über ihre Motive zu machen, nur nach dem Motto: ”Hauptsache weg aus Deutschland.” Bei vielen klappt´s, und bei ebenso vielen tritt nach nicht mal einem Jahr, wenn die Anfangseuphorie verflogen ist, Ernüchterung und Langeweile ein.


Inwiefern hast du einen Kulturschock erlebt? Wann (wie lange nach dem Migrationsschritt) ist er eingetreten und wie hat er sich geäußert? Wie hast du ihn überwunden bzw. einen hilfreichen Umgang damit gefunden?


Einen Kulturschock hatte ich in Panama erstaunlicherweise überhaupt nicht. Vielleicht lag es daran, dass ich vorher schon einige Male in Panama auf Urlaub war und dabei nicht nur am Strand gelegen habe, sondern mich in aller Ruhe mit dem Leben hier vertraut machen konnte. Einen Kulturschock würde ich vermutlich in Deutschland bekommen, wenn ich dort nach über sechs Jahren mal wieder hinfliegen würde. ;-)


Welche Persönlichkeitsmerkmale sind aus deiner Sicht für das Gelingen einer Auswanderung förderlich, welche hinderlich?


Förderlich sind auf jeden Fall Offenheit und Neugier, soziale und kulturelle Kompetenz, Humor, insbesondere wenn man auch mal über sich selbst lachen kann, Selbstvertrauen, Mut, Entscheidungsfreudigkeit, Lernbereitschaft (insbesondere Fremdsprachen), über den Tellerrand hinausschauen, auch mal Fünfe gerade sein lassen.
Hinderlich sind deutscher Perfektionismus, Spiessertum, übertriebene Erwartungshaltung, Ungeduld, Ignoranz und Überheblichkeit den Locals gegenüber, Neid und Eifersucht statt Respekt und Anerkennung gegenüber Leuten, die schon etwas erreicht haben.


Wie kann man sich deiner Erfahrung nach psychologisch am besten auf eine Auswanderung vorbereiten?


Als Erstes Ballast abwerfen (psychischen und physischen), also “Großreinemachen” im Kopf und im Haus !
Probleme und Konflikte in der Heimat lösen statt davonzulaufen, sonst holen sie einen früher oder später wieder ein !
Freunde, Verwandte und Kollegen werden in vielen Fällen eher skeptisch und kopfschüttelnd auf deine Auswanderpläne reagieren. Überleg dir daher gut und genau, wen du mit ins Boot und ins Vertrauen nimmst, und wen eher nicht. Solange du Länder wie Spanien, Frankreich oder Italien nennst, mags ja noch gehen, da war jeder schon mal irgendwann. Sag aber bloß nicht “Panama”! Das übersteigt dann doch den Horizont so mancher Zeitgenossen. Lass dich nicht irritieren, zumal die allerwenigsten, die dich belächeln, schon mal in Panama waren oder gar selbst schon mal ausgewandert sind !


 
Welche Punkte / Empfehlungen / Ideen möchtest du ergänzen?


Jeder der auswandern möchte, sollte sich das Zielland vorab genau anschauen und mehrmals dort hin  reisen, und auch viel im Land unterwegs sein. Nur so kann man Land, Leute und Lebensgefühl kennenlernen und sich eine Entscheidungsgrundlage schaffen. In Panama stehe ich Besuchern und Auswanderern dabei gern zur Verfügung.

                           

Wer Interesse an Erkundungsreisen und professioneller Einwanderungshilfe in Panama hat, findet auf Carstens Website nähere Infos:
https://panamafantastico.com/unbefristete-residencia-in-panama/

Argentinien-Experte Rudolf im Interview:

Wo lebst du zur Zeit, wie lange schon und aus welchem Land bist du ausgewandert?


Aktuell lebe ich in Mendoza, Argentinien. Vor fast genau 13 Jahren bin ich von Deutschland Richtung Südamerika ausgewandert. Ich lebte ca. 3 Jahre in Paraguay und habe dann eine Weltreise gemacht, bis ich meine Frau kennengelernt habe. Wir haben uns dann zusammen noch Europa angeschaut und jetzt leben seit mehr als 3 Jahren hier in Argentinien und schon fast 3 Jahre hier in Mendoza.


Welche Herausforderungen psychologischer Natur bringt eine Auswanderung aus deiner Erfahrung mit sich (beispielsweise hinsichtlich Stimmung, emotionaler Krisen, Ängsten, Zweifeln, Heimweh, Belastungen in Partnerschaft / Familie, inneren und zwischenmenschlichen Konflikten, Überforderungsempfinden, Entwurzelungsempfinden)? Welche haben dich überrascht?


Was am allerwichtigsten ist, ist die absolute Selbstverantwortung! Im Ausland bist du selbst für dich verantwortlich, du musst dich selbst um alles kümmern, weil hier keiner ist, der dir etwas vorgibt.
Für Leute, die vorher in Deutschland schon selbstständig waren, ist das ein Stück weit einfacher als für Personen, die vorher im Angestelltenverhältnis waren und plötzlich von heute auf morgen alles selber regeln müssen.
Dies ist für die meisten oder für sehr viele die größte Herausforderung. Hier in Südamerika gibt es z.B. keine soziale Hängematte. In den Köpfen ist ein Stück weit noch verankert: Wenn ich jetzt hier scheitere, dann ist keiner, der mir hilft. Genau das ist die größte Herausforderung bei vielen und das schürt oft auch die größten Ängste. Dann kommt noch hinzu, dass man sein soziales Umfeld komplett in der alten Heimat gelassen hat und in der neuen Heimat wieder neu anfängt. Für mich selber war das nicht unbedingt ein großes Problem, denn ich habe schnell wieder neue Kontakte gefunden und mich in die Gemeinschaft im neuen Land integriert.
Der Kontakt zu den Menschen im neuen Land ist das Wichtigste! Das Problem bei vielen ist, dass sie unter sich bleiben (zum Beispiel die Deutschen nur unter Deutschen). Das würde ich auf keinen Fall empfehlen, denn dann kann es schwierig werden, aus dieser Blase auszubrechen. Wenn man auswandert, oder plant auszuwandern, dann sollte man sich auch darauf fokussieren, sich in die neue Kultur zu integrieren. Klar, man muss diese auch erst einmal kennenlernen und akzeptieren. Dies kann einen am Anfang schon auch ein Stück weit überfordern.
Wenn ich zu Besuch in Deutschland bin, dann freue ich mich natürlich meine Familien zu sehen. Mittlerweile bin ich hier in Mendoza jedoch so weit angekommen, dass ich nach 14 Tagen wieder zurück in meine Heimat möchte. Und meine Heimat ist jetzt hier in Südamerika.
Die ganze Kultur und das Zwischenmenschliche sind hier komplett anders als in Deutschland und somit kann es für jemanden, der frisch ausgewandert ist, auch eine Herausforderung sein, sich zurechtzufinden und sich in die neue Kultur einzuleben.


Inwieweit sind deiner Einschätzung und Erfahrung nach die Motive entscheidend für den Erfolg der Auswanderung?


Die Motive der Auswanderung sind für den Erfolg sehr wichtig! Eins sollte man nämlich auf keinen Fall tun: Vor der aktuellen Lebenssituation fliehen! (Unangenehme) Themen, die bereits vor der Auswanderung da waren, werden einen auch in einem anderen Land früher oder später einholen. Auch das Fliehen vor politischen Situationen (wie es viele derzeit aus Deutschland tun) sollte kein Motiv für eine Auswanderung sein. Mit solch einem Motiv darf man sich dann nicht wundern, dass auf der anderen Seite der Welt vielleicht doch nicht alles besser ist. So kann die Auswanderung scheitern.
Wenn man jedoch beispielsweise als Motiv für eine Auswanderung, ein angenehmeres Klima, das Kennenlernen einer anderen Lebensart, oder das Verbringen des Lebensabends in einem anderen Land wählt, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Auswanderung gut gelingt.  


Inwiefern hast du einen Kulturschock erlebt? Wann (wie lange nach dem Migrationsschritt) ist er eingetreten und wie hat er sich geäußert? Wie hast du ihn überwunden bzw. einen hilfreichen Umgang damit gefunden?


Diese Frage habe ich, glaube ich bereits in Frage 2 beantwortet.


Welche Persönlichkeitsmerkmale sind aus deiner Sicht für das Gelingen einer Auswanderung förderlich, welche hinderlich?


Diese Frage habe ich auch schon beantwortet: Ganz wichtig ist die Selbstbestimmung. Du musst ein selbstbestimmter Mensch sein. Wenn du das nicht bist, wird die Auswanderung eher nicht gelingen.


Wie kann man sich deiner Erfahrung nach psychologisch am besten auf eine Auswanderung vorbereiten?


Das kann ich so nicht beantworten. Ich habe mich nicht konkret vorbereitet und ich denke, man sollte sich auch nicht zu viel Stress machen - ein Stück weit muss das auch aus dem Bauch kommen. Wichtiger ist, dass die Auswanderung technisch gut vorbereitet ist.


Wie wichtig, im Vergleich mit äußeren Faktoren, schätzt du psychologische Faktoren für das Gelingen einer Auswanderung ein?


Darüber habe ich mir nie Gedanken gemacht.

Welche Empfehlung(en) / Infos würdest du deinem früheren Ich heute geben?
a - vor der Auswanderung
b - nach dem eigentlichen Migrationsschritt


Schöne Frage! Ich habe bei meiner Auswanderung so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Allerdings muss ich auch dazu sagen, dass ich ja eigentlich auch gar nicht vorhatte auszuwandern. Ursprünglich wollte ich nur eine Auszeit von 6 Monaten nehmen. Aus dieser Auszeit wurde dann eine Hals-über-Kopf-Auswanderung.

Ich würde meinem früheren Ich folgende Empfehlungen vor der Auswanderung geben:

1. Eine Auswanderung sollte technisch vorbereitet sein.


2. Man sollte alles über seine neue Heimat wissen und einige Dinge bereits in der alten Heimat klar haben (wo werde ich wohnen, was werde ich für monatliche Kosten haben, wie werde ich meinen Lebensunterhalt verdienen)


3. Wenn man die künftigen Kosten kennt, dann sollte man eine finanzielle Reserve für mindestens 6 bis 12 Monate haben (so können auch mögliche Ängste direkt vermieden werden (s. Antwort 2). Mit dieser finanziellen Rücklage, ist man auch vor ungeplanten Situationen wie Jobverlust oder gesundheitlichen Probleme, die einem zu einer längeren Pause zwingen, gewappnet. Auch der Fall einer Rückreise in die alte Heimat sollte noch zu den Reserven dazugerechnet werden.


4. Man sollte die Sprache lernen, die in der neuen Heimat gesprochen wird. Auch etwas, was ich nicht getan habe. Hier in Südamerika sprechen die wenigsten Englisch. Ohne ein Wort Spanisch und mit meinem nicht so guten Englisch bin ich anfangs nicht so weit gekommen und war abhängig von anderen, die mir in Sprachthemen helfen mussten.


b - nach dem eigentlichen Migrationsschritt


Hier ist die bereits erwähnte Integration in die neue Kultur vor Ort fundamental. Sonst wird man nie ankommen. Das habe ich zum Glück richtig gemacht ;-)


Welche Punkte / Empfehlungen / Ideen möchtest du ergänzen?


Wenn man vorhat auszuwandern, dann lasse am besten das alte Leben auch in der alten Heimat. Es sollte kein Container mitgenommen werden, denn man beginnt ja einen neuen Lebensabschnitt. Innerhalb Europas kann man vielleicht noch mit einem Umzugswagen das Umzugsgut transportieren, aber nach Übersee ist dann ein Container nötig. Dies kostet meist viel Geld (Transport, Zölle), kann lange dauern, bis man den Container ausgeliefert bekommt, Sachen können kaputtgehen. Meistens ist ein Containertransport unterm Strich teurer, als sich vor Ort neu einzurichten. Fast alle Länder, auch hier in Südamerika, sind so weit entwickelt, dass man alles bekommt, was man benötigt. Und das, was man nicht bekommt, braucht man meistens auch gar nicht. Mein ganz ehrlicher Tipp, auch wenn es schwerfallen mag: Die alte Heimat hinter sich lassen, man braucht sie am neuen Ort nicht mehr.

                           

Rudolfs Blog und YouTube-Kanal mit Informationen und Kursangeboten zum Auswandern und ortsunabhängigen Arbeiten findest du hier:

https://rudolfgrafe.com/           

 https://www.youtube.com/@RudolfGrafeGlobetrotter

Für nähere Informationen, wie Auswanderung aus psychologischer Sicht gelingen kann, schau' auch in meinen Gastartikel für Staatenlos.ch

Als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, die selbst im Ausland lebt (Stand 06/23 in Mittelamerika), biete ich als besonderen Schwerpunkt meiner Arbeit Beratungen für Expats an.

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