Wie geht es dir mit dem Begriff "Selbstbehauptung"? Bist du dir deiner Bedürfnisse und Grenzen auch im Miteinander bewusst? Und kommunizierst du sie so nach außen, dass du und dein Gegenüber sich damit wohl fühlen? Klasse - dann ist dieser Artikel nicht für dich bestimmt!
Den meisten von uns dürfte es manchmal anders gehen. Vielleicht vermeiden wir angstbedingt in bestimmten Situationen Konflikte, sorgen uns davor Freundschaften mit schroff wirkender Abgrenzung zu gefährden. Manche dürften kein Problem damit haben ihre Grenzen und Bedürfnisse zu äußern, belasten mit der Art und Weise, wie sie es tun, jedoch ihre Beziehungen.
Eine einfache und bewährte Methode, die Wahrnehmung und Benennung der eigenen Bedürfnisse in der Kommunikation so umzusetzen, dass Beziehungen bewahrt und sogar gestärkt werden, stellt die gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg dar.
Gewaltfreie Kommunikation
Rosenberg betont bei seiner Methodik, wie wichtig Ich-Botschaften sind, um eine wertschätzende Kommunikation zu wahren, bei der das Gegenüber sich nicht angegriffen bzw. gekränkt fühlt. Beispiele:
"Wenn ich den Satz nicht zu Ende sprechen kann, fühle ich mich unsicher und verliere den Faden. Dann sorge ich mich darum wie sich das Gespräch weiter entwickelt und habe das Gefühl nicht mehr zuhören zu können." (Ich-Botschaften).
Anstatt: "Nie lässt du mich ausreden. Kein Wunder dass wir dann streiten". (Du-Botschaft).
Bei den vier Schritten, die er vorschlägt, geht es um eine klare, bewusste Kommunikation, die sich auch in zwischenmenschlich schwierigen Situationen zum Wohle aller Beteiligten einsetzen lässt. Dabei werden eigene Bedürfnisse und Grenzen klar zum Ausdruck gebracht ohne andere zu verletzen; deren Bedürfnisse werden ebenfalls wahrgenommen und respektiert.
Selbstbehauptung Praktisch umgesetzt in vier Schritten
Rosenberg schlägt folgende Schritte der gewaltfreien Kommunikation vor:
1)
Schildere die betreffende Situation, ohne sie zu bewerten, ohne Emotionalität, sondern in einer neutralen beobachtenden Rolle. Beispiel: "Ich habe bemerkt, dass der volle Müll seit heute morgen in der Küche steht" anstatt: "Du hast den Müll noch nicht raus gebracht, du bist doch dafür zuständig" oder "Der Müll steht ja immer noch in der Küche, na toll".
2)
Äußere, welche Gefühle du bei dir selbst wahrnimmst und benenne sie, möglichst in der "Ich bin"-Form. Beispiel: "Ich bin ärgerlich." Nicht: "Du bringst mich auf die Palme!".
3)
Äußere dein Bedürfnis, das dahinter steht. Beispiel: "Ich wünsche mir eine hygienische saubere Küche".
4)
Formuliere deinen Wunsch. Beachte die Freiwilligkeit, d.h. dass deinem Gegenüber die Wahl gelassen wird, möglicherweise abzulehnen. Beispiel: "Wärst du bereit, den Müll künftig gleich raus zu bringen, wenn er voll ist?" Oder "Ich wünsche mir, dass du den Müll gleich raus bringst, wenn er voll ist. Ist das für dich okay?".
die vier Schritte üben
In welchem aktuellen oder wiederkehrenden Konflikt ist es dir wichtig, deine Bedürfnisse und Grenzen zu identifizieren und nach außen zu kommunizieren? Nimm dir Zeit dich schriftlich darauf vorzubereiten. Protokolliere:
a) Um welche Situation geht es? Mit welcher Person? Wie lauten deine Grenzen? Worum geht es dir?
b) Verschrifliche, wie du die vier Schritte formulieren möchtest: Situation, Gefühl, Bedürfnis, Wunsch (s.o.).
Lerne die Formulierungen für die vier Schritte gegebenenfalls auswendig. Und dann trau' Dich, übe die Umsetzung.
Literaturempfehlung
Marshall B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens (224 Seiten, Junfermann Verlag).
Beachte: In manchen Situationen braucht es klare Abgrenzung oder ein klares Nein
Wann andere vorgehensweisen als die vier schritte der gewaltfreien Kommunikation angebracht sind
Was tun in Situationen, in denen die Wahrung deiner Selbstachtung im Vordergrund steht? Wenn du Beleidigungen oder Ungerechtigkeiten ausgesetzt bist, rückt der Aspekt, die Beziehung zu schützen, selbstverständlich in den Hintergrund.
Beispiel: Dein Freund, den du zum Essen eingeladen hast, äußert: "Das Essen schmeckt scheußlich, wo hast DU denn bitte kochen gelernt?"
Schau der Person in die Augen, sprich laut und deutlich und teile dich kurz und bestimmt mit.
Beispielsweise: "Ich möchte nicht, dass du dich so verhälst!"
WIE du erfolgreich etwas ablehnst (Nein sagen lernen)
Wenn du etwas ablehnen möchtest, verzichte auf Entschuldigungen, Ausreden, Erklärungen und Rechtfertigungen. ("Tut mir leid", "Entschuldigen Sie"..). Steh' aufrecht und fest, vermeide es zu lächeln, sprich laut und deutlich (nonverbale Abgrenzung). Betone die wesentlichen Wörter.
Beispiele: "Kein Interesse." "Nein". "Ich habe keine Zeit".
Wenn erforderlich, wiederhole gegebenenfalls das Nein und entferne dich aus der Situation.
üben mit Rollenspielen
Vielleicht geht es dir wie mir und du vermeidest lieber an Rollenspielen teilzunehmen. Ich habe jedoch die Erfahrung gemacht, dass sie außerordentlich effektiv sind, wenn es darum geht, Schwierigkeiten in bestimmten sozialen Interaktionen (zwischenmenschliche Schwierigkeiten) zu mindern und Selbstbewusstsein und auch die Qualität von Beziehungen zu verbessern. Bitte Freunde oder ein professionelles Gegenüber darum, bestimmte interpersonelle Situationen zu üben, denen du anders begegnen möchtest.
Anregungen für einen selbstfürsorglichen Lifestyle, für einen freundlichen und bewussten Umgang mit dir selbst findest du auch in meinem Workbook Selfcare.