Verbitterung: Eine Definition
Ein gewisses Maß an Bitterkeit kennen wir vermutlich alle. Sie gehört zum üblichen Spektrum emotionalen Erlebens; jeder hat sich irgendwann einmal gekränkt und enttäuscht gefühlt. Sofern daraus kein anhaltendes oder besonders intensives, verschiedene Lebensbereiche beeinträchtigendes Empfinden resultiert, kann man von einem normalpsychologischen Phänomen ausgehen - so wie beispielsweise auch Angst eine unangenehme Emotion darstellt, die unvermeidbar zum Leben dazu gehört und erst dann pathologisch wird, wenn sie unberechtigt, außerordentlich intensiv bzw. anhaltend auftritt.
Verbitterung kann als komplexe Emotion definiert werden, die mit einem Empfinden von Ungerechtigkeit und Herabwürdigung einhergeht. Emotionspsychologisch betrachtet wird diese Ungerechtigkeit vom Betroffenen als Aggression erlebt. Auslösende Situationen sind zwischenmenschliche Konflikte im beruflichen und privaten Kontext oder auch belastende Lebensereignisse wie Krankheiten.
Verbitterung: mögliche Folgen und wie man sie auflösen kann
Die Reaktion auf ungerecht empfundene Situationen kann verschiedene Gefühle wie Frustration, Ärger, Zorn, Hilflosigkeit, Kränkung, Feindseligkeit, Hass und Selbstvorwürfe beinhalten. Diese können gewissermaßen als Notfallemotionen, als Gegenaggression verstanden werden. Problematisch daran ist, dass ein derartiger "Gegenangriff" auf Dauer einen selbstzerstörerischen Aspekt birgt. Oftmals verharren verbitterte Menschen unversöhnlich in ihrem Zorn, ziehen sich zurück, sind antriebsarm, vermeiden den Ort der auslösenden Begebenheit und machen sich selbst Vorwürfe. Verbitterungen können demnach depressive und Angst-Symptome auslösen und manchmal auch lange Phasen von Arbeitsunfähigkeit bedingen. Eine Sonderform der Verbitterungsreaktion ist die „Posttraumatische Verbitterungsstörung (Posttraumatic Embitterment Disorder = PTED)", die eine im Vergleich mit anderen psychosomatischen Erkrankungen eher ungünstige Prognose hat.
Alle Emotionen haben grundsätzlich eine hilfreiche Funktion inne, so auch die Verbitterung. Aus ihr kann sich eine gewisse Stärke und Erhöhung der Leistungsfähigkeit entwickeln. Zum Beispiel können Rachegefühle Energie mobilisieren. Mittel- und langfristig überwiegen jedoch negative, gegen das Selbst gerichtete Folgen. Wer in seiner Kränkung und in seinem Zorn verbleibt und im ständigen (oftmals verzerrten) Wiedererinnern an die auslösende Situation verharrt, begibt sich in eine Opferrolle. Oft ist mit Verbitterung der bewusste oder unbewusste Wunsch verbunden, dass diejenige Person, die die Verbitterung ausgelöst hat (der "Verursacher") sich zu verändern habe. Das ist menschlich nachvollziehbar, jedoch höchst wahrscheinlich nicht erfolgsversprechend.
Wie kann man Verbitterung in hilfreicher Weise begegnen? Im therapeutischen Kontext werden vor allem zwei Ansätze genutzt: die Weisheitspsychologie und die Vergebung.
In der Weisheitstherapie werden unter anderem Perspektivwechsel und Empathie gefördert. Außerdem wird Kontextualismus vermittelt, d.h. dass Äußerungen und Handlungen grundsätzlich in Bezug zum jeweiligen Kontext betrachtet werden (Bsp.: Eine Kündigung im Rahmen einer Firmeninsolvenz hat einen besonderen Kontext). Ein weiterer hilreicher Aspekt der Weisheitspsychologie ist der Wertrelativismus. Dabei werden persönliche Werte daraufhin geprüft, in welchen Bezugssystemen sie Gültigkeit besitzen (Bsp.: Wer Ehrlichkeit für einen universell gültigen Wert hält, kann diese Haltung überprüfen. Möglicherweise kann er im Bezugssystem Familie hohe Priorität haben und am Arbeitsplatz nicht immer).
Bei Behandlungen, die auf Vergebungsprozessen basieren, wird die Bereitschaft zur Vergebung gefördert. Mit Vergebung ist im psychologischen Kontext eine Form des Los-Lassens (nicht des Gut-Heißens!) gemeint. Ungerechtigkeiten zu vergeben fällt leichter, wenn man sich eigener Fehler bewusst ist. Eingeleitet werden Vergebungsprozesse mit der gedanklichen Bereitschaft, vergeben zu wollen. Diese bewusste Willensentscheidung stellt eine Voraussetzung für den anschließenden emotionalen Vergebungsprozesses dar.
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