Spaltung: Eine Definition
Bei der Spaltung handelt es sich um einen Abwehrmechanismus (unbewusster Vorgang, der dazu dient, die Psyche vor unerträglichen Impulsen, Wünschen, Emotionen, Vorstellungen zu schützen). Spaltungsabwehr bedeutet, sich selbst, andere oder auch Beziehungen nur gut oder nur böse zu beurteilen. Damit wird vermieden, sich mit Ambivalenzen (emotional Unvereinbarem) auseinanderzusetzen, die Spannungen und Ängste erzeugen können. Das Selbstbild und das Bild von anderen pendelt zwischen Idealisierung und Entwertung.
Spaltung wird den frühen Abwehrmechanismen zugeordnet, die ihren Ursprung in den ersten Lebensjahren haben. Ein Säugling hat typischerweise noch keine abgegrenzten inneren Vorstellungen von Selbst und Gegenüber (symbiotische Phase); sein Wahrnehmungsfeld spaltet sich anfangs in "nur gut" (warm, satt, tröstend, Geborgenheit spendend) und "nur böse" (abwesend, kalt, hungrig). Wenn es den Bezugspersonen gelingt, eine zuverlässige Zuwendung herzustellen (bei gleichzeitig angemessener Abgrenzung), so kann das Kind auch ambivalente innere Vorstellungen von sich, seinem Gegenüber und von seinen Beziehungen entwickeln. Es lernt sich als eigenständige Person zu begreifen und andere individuell wahrzunehmen. Es lernt ein "Sowohl-als-Auch" an Eigenschaften und Emotionen anzuerkennen, bspw. dass Bezugspersonen gleichzeitig positive und negative Eigenschaften haben können.
Sind frühe Beziehungserfahrungen von Gewalt, überfordernden Ereignissen, emotionaler Vernachlässigung, Unberechenbarkeit oder mangelnder Empathie belastet, bleibt die frühe Spaltungstendenz erhalten.
Beispiele
Eine Frau, die seit der Kindheit unter erheblichen Verlustängsten leidet, wird von ihrem Partner regelmäßig misshandelt. Sie erhält ihm gegenüber eine bewundernde Haltung aufrecht. Durch die Spaltung werden ihre Ängste abgewehrt.
Eine andere Person, die unter Verlustängsten leidet, beendet völlig unerwartet aus unberechtigter Eifersucht ihre Partnerschaft, verurteilt ihren Partner (dem sie sich gestern noch liebevoll zugewandt hat) hasserfüllt. Mit der Trennungsentscheidung vermeidet sie, sich mit ihren Ängsten zu konfrontieren.
Ein Patient wirft seiner Therapeutin Inkompetenz und Ungeschicklichkeit vor. In der nächsten Sitzung überschüttet er sie mit Lob.
Spaltung: Vorkommen, Folgen, Hilfe
In besonders belastenden Lebenssituationen kann auch bei psychisch Gesunden Spaltungsabwehr auftreten.
Treten Spaltungen hingegen regelmäßig auf, sind diese häufig Ausdruck von Persönlichkeitsstörungen (Borderline-, narzisstischer, dissozialer Persönlichkeitsstörung). Spaltung als bevorzugte Abwehr wird meist von weiteren unreifen Abwehrmechanismen wie Projektion und Verleugnung begleitet. Daraus resultiert eine oftmals erhebliche Belastung zwischenmenschlicher Beziehungen. Partner, Familie und Freunde sehen sich widersprüchlichen, impulsiven, extrem schwankenden Stimmungen, Denk- und Verhaltensweisen ausgesetzt.
Wer bei sich selbst regelmäßige Spaltungsphänomene vermutet und sich in seiner Beziehungsfähigkeit und Lebensqualität beeinträchtigt fühlt, sollte eine psychotherapeutische Diagnostik anstreben.
Wer in Beziehung, Freundschaft oder Familie an wiederholten Konflikten mit jemandem leidet, der von einer Persönlichkeitsstörung betroffen ist, kann ebenfalls von professioneller Hilfe profitieren.