People Pleasing: Bedeutung, Ursachen und 7 Optionen wie NEIN sagen gelingen kann

Alle | 28. August 2023

Was People Pleasing bedeutet

Nicht nur im beruflichen Umfeld genießen aufopferungsvolle Menschen besonders viel Anerkennung. Gesellschaftlich gilt Selbstlosigkeit eher als Ideal; Engagement und Hilfsbereitschaft sind erstrebenswerte menschliche Eigenschaften. Wenn sie in Selbstverleugnung und -ausbeutung münden, haben sie allerdings einen hohen Preis. Der Begriff Selbst-losigkeit bringt bereits wörtlich zum Ausdruck, dass damit eine Entfremdung oder Loslösung vom Selbst verbunden ist: Wir nehmen eigene Bedürfnisse und Grenzen möglicherweise nicht oder eingeschränkt wahr und gehen damit das Risiko ein, uns selbst zu überfordern und auf Dauer unsere psychische und physische Gesundheit zu gefährden (z.B. in Form von Burnout, Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen). People Pleasing bedeutet ein übermäßiger Drang anderen zu gefallen, verbunden mit übermäßiger Hilfsbereitschaft und Verantwortungsübernahme; eigene Bedürfnisse treten vor denen anderer in den Hintergrund. NEIN sagen wird unmöglich oder fällt äußerst schwer. Paradoxerweise gefährdet People Pleasing durch Folgen der Selbstausbeutung gerade die Beziehungen, die damit geschützt werden sollen.


Mögliche Ursachen von People Pleasing

Angst vor Ablehnung, Angst vor Kritik, Verlustangst, Versagensangst, Angst vor dem Alleinsein, Angst nicht dazuzugehören: Oft führen Ängste zum übermäßigen Drang anderen gefallen zu wollen. Mit derartigen Ängsten ist üblicherweise eine Selbstwertproblematik verbunden: Bei geringem Selbstwertgefühl ist die Wahrnehmung eigener Bedürfnisse zugunsten der Bedürfnisse anderer verschoben. Unbewusste Überzeugungen wie beispielsweise nicht gut genug zu sein oder nicht liebenswert zu sein und damit assoziierte Schamgefühle können ursächlich eine Rolle spielen. Ein weiterer möglicher Aspekt von People Pleasing ist das zwanghafte Bemühen, Konflikte zu vermeiden. Ein gewisses Maß von Disharmonie gehört jedoch zu gesunden Beziehungen dazu und gilt es auszuhalten. Manchmal kann ausgeprägtes People Pleasing Ausdruck einer Persönlichkeitsstörung (insb. der dependenten Persönlichkeitsstörung) sein.

Hilfreich ist die Frage, welche frühen Beziehungserfahrungen (auch traumatischen Ereignisse) ursächlich zu derartigen Ängsten, Schamgefühlen, Überzeugungen beigetragen haben. Möglicherweise wurden eigene Bedürfnisse von Bezugspersonen nicht wahrgenommen oder entwertet. Solche Erfahrungen können zur Folge haben, dass eigene Bedürfnisse dauerhaft unbewusst unterdrückt und nicht in Beziehungen eingebracht werden.


Anzeichen für People Pleasing

  • Vermeiden die eigene (abweichende) Meinung zu äußern 
  • Im beruflichen Umfeld regelmäßige Übernahme von Überstunden, übermäßige Übernahme von Verantwortung
  • Aufgaben übernehmen, mit denen man sich nicht wohlfühlt "des lieben Friedens willen"
  • Absolute Zuverlässigkeit und Hingabe als typische Eigenschaften 
  • Verantwortungsübernahme für die Gefühle anderer
  • Übermäßige Abhängigkeit von Bestätigung und Anerkennung
  • Sich unter Druck setzen, stets freundlich und fröhlich zu wirken
  • Selbstüberforderung durch Zustimmung zur Übernahme von Aufgaben und Projekten 
  • Frustration darüber anscheinend nie genug Zeit für sich selbst zu haben
  • Frustration darüber dass eigene Wünsche und Bedürfnisse anscheinend weniger zählen als die anderer
  • Hohes Anspannungs- und Stressempfinden

Wie People Pleasing reduziert werden kann: Bewusstheit herstellen

Bevor im Außen Grenzen gesetzt werden können, ist eine bewusste Wahrnehmung eigener Bedürfnisse und Grenzen erforderlich. Das erfordert etwas Mut und Achtsamkeit im Sinne einer regelmäßigen Selbstbeobachtung und beinhaltet auch ein Beobachten des Umgangs mit sich selbst: Wie spreche ich zu mir, wie gestalte ich innere Selbstdialoge? Welche Erwartungen habe ich an mich selbst? Handle ich gerade in Übereinstimmung mit meinem Bedürfnis? Wenn nicht, warum? Und was brauche bzw. will ich jetzt gerade eigentlich wirklich? Erlaube ich es mir? Wenn nicht, warum nicht? Was brauche ich, um weniger von der Anerkennung meines Gegenübers abhängig zu sein?

Ungünstig ist dabei der Versuchung zu erliegen, sich mit einer Analyse und Bewertung des Verhaltens der anderen abzulenken (so ungerecht es manchmal sein oder wirken kann).

Schließlich kann spielerisch ein neuer, hilfreicher Umgang mit eigenen Bedürfnissen und Grenzen in der Interaktion umgesetzt werden.

Anmerkung der Autorin: In meiner Arbeit mit Klientinnen und Klienten habe ich festgestellt, dass bei People Pleasing - Mustern Inspirationen für praktische Umsetzungen angefragt werden und hilfreich sind. Oftmals fehlen Rollenvorbilder oder verfügbare Erfahrungen, wie in Beziehungen gesunde Grenzen gesetzt werden können. Daher fasse ich im Folgenden einige Beispiele zusammen. Es handelt sich um kleine Schritte, die - wenn sie konsequent und regelmäßig begangen werden - das Selbstbewusstsein stärken und authentische, gesunde Abgrenzung fördern.


Strategie 1: Zeitlicher Aufschub

Bsp.: Jemand möchte häufiger mit dir in Kontakt treten als dir gerade lieb oder möglich ist und du weißt nicht wie du damit umgehen kannst ohne deinem Gegenüber vor den Kopf zu stoßen.

(Aus der Praxis: Deine Mutter ruft täglich an, während du Vorlesungen wahrnimmst oder deiner Arbeit nachgehst. Weil du ein schlechtes Gewissen hast, nimmst du die Anrufe entgegen, ärgerst dich aber maßlos darüber und entwickelst eine hochgradige innere Anspannung).

Option: Nimm ab und teile mit, dass du dich am Freitag nachmittag (oder an Tag X zur Uhrzeit Y) zurückmeldest.

Vorteil: Du verschaffst dir einen zeitlichen Aufschub, regulierst deine Emotionen, ermöglichst ein Miteinander wenn es für beide Seiten passt und schenkst deinem Gegenüber gleichzeitig ein verbindliches Angebot für einen Austausch und schützt damit die Beziehung.


Bsp.: Jemand bittet um Übernahme eines Projektes oder einer Aufgabe.

(Aus der Praxis: Deine Vorgesetzte stürmt in dein Büro und bittet dich eine neue Projektentwicklung / Konzepterstellung zu übernehmen. Schließlich wisse sie, dass das bei dir in allerbesten Händen sei).

Option: Du äußerst "Lass mich darüber nachdenken. Ich gebe dir dazu eine Rückmeldung."

Vorteil: Du verschaffst dir Zeit tatsächlich darüber nachzudenken.

Weitere Option: "Diese Woche schaffe ich es nicht mehr. Wenn ich die Projekte X, Y und Z abgeschlossen habe, kann ich damit anfangen."

Vorteil: Du sagst nur unter realistischen zeitlichen Bedingungen zu.


Strategie 2: aktiv Verhaltensänderung ankündigen

Bsp.: Ein Freund hat sich bislang immer darauf verlassen, dass du an Wochenenden kurzfristig für Treffen oder lange Gespräche zur Verfügung stehst.

Option: Teile mit, dass du entschieden hast, mehr auf deine Bedürfnisse zu achten und dich nun darüber austauschen möchtest, wie ihr die betreffenden Situationen künftig gestalten wollt.

Vorteil: Du lässt dein Gegenüber an deiner persönlichen Weiterentwicklung teilhaben und eröffnest eine Möglichkeit das Miteinander gemeinsam anders zu gestalten. Diese Strategie eignet sich besonders bei Beziehungen zu Menschen, denen an deinem Wohlergehen gelegen ist.


Strategie 3: klare Zusicherung verwehren

Bsp.: Du wirst gebeten, innerhalb von ein paar Tagen eine Präsentation zu korrigieren.

Option: Teile mit "Ich kann nicht zusagen dass ich das erledigen werde"

Vorteil: Die Vorstellung absolut 100%iger Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit wird gelockert.


Strategie 4: Verhindert sein

Bsp.: Ein Kollege bittet dich, heute zum Feierabend ein wichtiges Meeting wahrzunehmen.

Option: Teile kurz und knapp mit, dass du heute abend verhindert bist.

Nachteil: Wenn es sich dabei um einen Vorwand handelt, können dessen Vorteile sich in das Gegenteil verkehren, wenn er auffliegt. Daher ist diese Strategie nicht optimal. Jedoch ermöglicht sie in Einzelfällen überhaupt erste Schritte einer Abgrenzung.


Strategie 5: Auf Verantwortung des Gegenübers verweisen

Bsp.: Eine Kollegin bittet dich, eine Veranstaltung zu organisieren, obwohl sie diesmal an der Reihe ist.

Option: Teile mit "Diesmal liegt die Verantwortung bei dir."

Bsp.: Ein Freund bittet dich darum, für ihn etwas zu übernehmen, weil er sich damit unsicher fühlt.

Option: Äußere "Ich kann das nicht für dich übernehmen, aber ich teile dir gerne mit wie du vorgehen kannst."


Strategie 6: NEIN als vollständige Aussage

Optionen: "Nein." "Nein, das mache ich nicht". "Nein, das werde ich nicht übernehmen." "Ich habe keine Zeit." "Das möchte ich nicht".

Vorteil: Es handelt sich um eine klare, eindeutige, unmissverständliche Abgrenzung, die wirkungsvoll ist und wenig Spielraum für ein Nachhaken seitens des Gegenübers lässt. Eine klare Abgrenzung ist oftmals das langfristig erfolgreichste Mittel, vor anderen selbstbewusster zu wirken, ernster genommen zu werden und sich vor Ausbeutung zu schützen.

Nachteil: Ein klares Nein kann zu einer vorübergehenden Irritation oder Disharmonie führen. Bei People Pleasing Mustern kann eine solche Strategie anfangs überfordern, wenn das Bedürfnis besteht sich in möglichst freundlicher Weise abzugrenzen.


Strategie 7: gewaltfreie Kommunikation

Auch in Konfliktsituationen können eigene Bedürfnisse und Wünsche eingebracht werden ohne die Beziehung zu gefährden. Vielfach erprobt ist die Methode der gewaltfreien Kommunikation (GFK) nach Marshall Rosenberg.

Bsp.: Dein Partner hat die Aufgabe übernommen, den Müll rauszubringen, sobald er voll ist. Seit zwei Tagen quillt er nun über.

Option: Ich-Botschaften nach den vier Schritten der GFK - siehe auch Blogartikel "Grenzen setzen".

1 Neutral-beobachtend Situation beschreiben "Ich habe bemerkt, dass der volle Müll seit heute morgen in der Küche steht" anstatt "Du hast den Müll noch nicht raus gebracht, du bist doch dafür zuständig" oder "Der Müll steht ja immer noch in der Küche, na toll".

2 Eigene Gefühle benennen "Ich bin ärgerlich." Nicht: "Du bringst mich auf die Palme!".

3 Bedürfnis äußern "Ich wünsche mir eine hygienische saubere Küche".

4 Wunsch äußern "Wärst du bereit, den Müll künftig gleich raus zu bringen, wenn er voll ist?" Oder "Ich wünsche mir, dass du den Müll gleich raus bringst, wenn er voll ist. Ist das für dich okay?".


Vorteil: Wenn Zielerreichung UND Schutz der Beziehung im Vordergrund stehen, sind Ich-Botschaften, verknüpft mit der konkreten Äußerung eigener Wünsche, der Goldstandard.


Nein sagen: Was dabei im allgemeinen hilfreich ist

  • Einbeziehen der nonverbalen Komponente: Tiefe Stimme, deutliche Aussprache, aufrechte Körperhaltung, fester Stand, neutraler Gesichtsausdruck - nicht lächeln!
  • Verzicht auf Einnahme einer unterlegenen Rolle: Kein "Entschuldigung", "Tut mir leid", "Ich will dich nicht belästigen"
  • Verzicht auf Erklärungen, besser: sich kurz halten
  • Betonen der wichtigen Wörter, z.B. Nein
  • Bei hartnäckigen Gesprächspartnern: Ruhig immer wieder das Gesagte wiederholen ("gebrochene Schallplatte") !
  • Rollenspiele nutzen: Mit Freunden oder professionellem Gegenüber die betreffende Situation üben
  • In der Interaktion ruhig, sachlich und konsequent bleiben: Kein Diskutieren, Emotionalisieren
  • Bereitschaft auf uneingeschränkte Bestätigung und Anerkennung im Außen zu verzichten
  • Bereitschaft ein gewisses Maß an Irritation seitens des Gegenübers oder Disharmonie auszuhalten: Gehört zu gesunden Beziehungen dazu!

                                                     

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